Selfportrait Extended

Dora and Thea in Love

„Dora and Thea in Love“ 30×50 cm

Schattenwald contributed a picture to the „Selfportrait.extended International Exhibition of Photography“ in Turku, Finland, opening June 11th 2014.

Karin and Martin of Schattenwald extended the borders of their personalities by creating avatars in the virtual world of Second Life. Within this world, they took selfportraits of their virtual counterparts Thea and Dora interacting with each other. One of this yet unpublished series of pictures was exhibited in Turku.

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The exhibition is part of the „I am we_nteractive image“-project of media artist Wolf Nkole Helzle. In 2012 Schattenwald took already part at the group exhibition of I am we in Stuttgart, Germany. 

 

Besetzt!

Norbert Prothmann führt in die Geschichte der Scheinanlage Brasilien ein.

Wie schon zuvor berichtet hat die Künstlergruppe SOUP eine Ausstellung zum Thema Scheinanlage im Stuttgarter Rathaus eröffnet. Schattenwäldlerin Karin Rehm ist als Mitglied von SOUP an der Ausstellung beteiligt.  Wir waren dabei und hatten Dora und Thea im Gepäck.

Thea und Dora: Passendes Outfit zur Ausstellung.

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Einladungskarte der Ausstellung

Da Schein und Sein ein durch und durch schattenwäldlerisches Thema ist, haben wir die Beiden in die Ausstellung integriert. Der geeignete Ort: Das zum Lochbahnhof umgekehrte Bahnhofsmodell, welches das historische Thema mit der aktuellen Bahnhofsthematik verknüpft und auf den Kopf stellt.

Ein Bahnhof steht Kopf

Ein umgedrehter Bahnhof, hier von innen betrachtet, wird zum Lochbahnhof.

Besetzt! Dora und Thea integriert in das Bahnhofsmodel

Somit wurden Thea und Dora zu Rathausbesetzerinnen, zumindest für die Dauer der Ausstellung.

Hier ein Erlebnisbericht von Thea:

Bei der Eröffnung der Ausstellung „Attrappen & Scheinbahnhöfe II – Den Kopf hinhalten für Stuttgart“ im Stuttgarter Rathaus kommt Dora und mir eine Idee: Occupy Rathaus! Damit sind wir nicht die ersten mit diesem Gedanken, aber vielleicht sind wir ja erfolgreicher als die anderen zuvor. Wir haben einen sehr findigen Platz für uns entdeckt: das auf dem Kopf stehende Modell des Stuttgarter Hauptbahnhofs von Harry Walter. Durch die Umkehrung wird nicht nur der Bahnhof unter die Erde gelegt, sondern auch noch zum Loch transformiert, das von einer Glasplatte abgedeckt wird. Der Platz zwischen Modell und Glas ist sehr eng – aber nicht zu eng, wenn man aus Papier ist wie wir. Unser Ziel: Über die Dauer der Ausstellung wollen wir nicht weichen!

Wenngleich uns zwei Wochen Lochwache nicht schockieren können, ist es doch eine verdammt lange Zeit, die wir zum Glück nicht alleine verbringen müssen. Zwei Freunde von uns, eine Bezirksbeirätin aus dem Stuttgarter Süden und ein tiefbahnhofkritischer Online-Aktivist nutzen jedes Zeitloch, das wir ihnen auf unserer Facebook-Seite schaffen, um uns während unserer Rathausbesetzung zu besuchen.

Nach der ersten durchzechten Nacht gibt’s pünktlich um 09:09 virtuellen Kaffee und auf meinen Wunsch ein Stück von Fred Frith und Iva Bittová zu hören. Besucher Frank bringt uns Pixelfood en masse. Am selben Abend lesen uns die Freunde bei flackerndem Kerzenlicht und leiser Musik aus Platons Politeia vor, in der er die Möglichkeit einer idealen Staatsordnung diskutiert. Am nächsten Abend singen sie uns Lullabies und erzählen uns die Geschichte von Orpheus und Eurydike. Nach antiker Vorstellung war es kein Trost, dass Orpheus sich als Schatten zum Schatten der Eurydike gesellen konnte. Uns jedoch schon, denn als Schatten fühlen wir uns in unserem Element.

Das Scheinanlagen-Outfit, welches wir uns extra für die Ausstellung nähen ließen, haben wir bald satt. „Wenn virtuelle Kleidung stinken könnte …“, lamentieren wir, und finden Gehör! Unsere Freundin Tine überrascht uns schon am nächsten Morgen mit schicken neuen Fummeln für die nächtlichen Partys auf der Dachterrasse. Gemeinsam mit Frank trägt sie dann abends unser Lieblingsstück „das Höhlengleichnis“ aus der Politeia  vor, in dem wieder Schatten eine Hauptrolle spielen. Was auch immer „wahr“ und „schön“ sei, so viel wird uns bei der Performance klar, es entsteht im Auge und Ohr des Betrachters!

Als erfahrener Blockierer weiß Frank, dass Nachtbesetzungen im Widerstand kaum Unterstützer finden: „Sie gehen alle mit dem Sandmännchen ins Bett!“. Er jedoch nicht, er steht uns tapfer zu jeder Stunde zur Seite. Wie zu erwarten läuft die Besetzung – genauer gesagt die Beliegung – des Bahnhofsmodells im Rathaus äußerst friedlich ab. Kaum einer nimmt Notiz von uns, außer den Ausstellungsbesuchern natürlich. „Papierpuppen sind zwar sehr leicht wegtragbar“, philosophieren wir, „aber sie verschwinden eben auch in den dünnsten Ritzen“.

Tagsüber fahren wir zum Rauchen mit dem Paternoster in den 4. Stock auf die Dachterrasse. Eines Abends treffen wir dort gegen 23:23 Uhr ein paar Facebook-Bekannte, die auf einige Drinks mit uns abstürzen. Einer redet sogar von Pressefotos, die wir natürlich gerne haben wollen. Wir posieren übermütig, Frank mixt uns immer neue Drinks und legt die für seine Ohren passende Musik dazu auf. Jedoch nicht für unsere Ohren, weshalb wir heftig protestieren. Auch gut, so kommen wir schon nicht aus der Protest-Übung. Wir einigen uns auf ein Lied der Punkband Slime und grölen „Legal, Illegal, Scheissegal“ vom Glockenturm in die dunkle Nacht. Der Herr vom Atelier Quadratmetertausch stößt dazu ins mitgebrachte Horn. Sein Instrument beherrscht er ebensowenig wie ein guter Punk.

Unseren Dienst als Lochwächterinnen unter der Glasdecke des umgedrehten Bahnhofsmodells  nehmen wir während der Ausstellungsöffnungszeiten sehr ernst. Es geht schließlich darum, die inneren Werte des Bahnhofs – sein uns heiliges Nichts – zu bewahren. Tagtäglich warten wir auf eine Reaktion der Politiker dieser Stadt, doch weder Wölfle, Schuster, Kuhn und dergleichen fühlen sich bemüßigt, auf unsere Besetzung zu reagieren. Weder SEK, Megaphon, Pressekonferenz noch Telefonate mit der Kanzlerin werden aufgefahren. Wer kommt, ist Herr Joly, der Leiter der Akademie Schloss Solitude, dem die Ausstellung wohl sehr gut gefällt. Doch aus protestlerischer Sicht bringt uns das auch nicht weiter. Wir müssen uns was anderes ausdenken.

Um die verschlafenen und herbstlich verschnupften Stuttgarter etwas aus der Reserve zu locken, heften wir in der letzten Woche der Ausstellung ein erstes Banner ans Rathaus. „Eine Katze ins Rathaus!“, ist darauf zu lesen. Angeregt vom Glockenspiel im Uhrenturm, das täglich um 11:06 Uhr, 12:06 Uhr, 14:36 Uhr und 18:36 Uhr aus 30 frei hängenden Glocken schwäbische Volkslieder spielt, fordere ich: „Öffentliche digitale Uhren, die zu Schnapszahlzeiten piepsen!“ Und politisch, wie wir nunmal sind, das wichtigste: „Wir sind FÜR Loch 21. Löcher muss man aushalten, dann werden sie zu einer saftigen Wiese der Muse. Grab mit!“ Die Bannerkritzeleien nehmen kein Ende, wir kommen vom Hundertsten ins Tausendste. Man hat ja nicht immer die Gelegenheit, sich etwas öffentlich wünschen zu können.

Damit wir in Ruhe die Banner an der Rathausfront befestigen können, schreibt Dora ein Ablenkungsschild: „Sitzungsgeld bitte im 1. Stock abholen!“. So können wir ohne aufzufallen unser Vorhaben umsetzen. Leider sind die Banner ebenso unauffällig. Dora sinniert: „Hach, der Widerstand, wo ist er denn, wenn man ihn braucht?“, als dürste sie nach einer starken Katze, die mal ordentlich durchgreift. Doch liegt das Problem eher an unseren allgemeinen Größenverhältnissen! Als Papierpuppen sind wir dann doch zu klein, um richtig aufzufallen. Wir sprechen noch über die Vor- und Nachteile vom Virtuellenwahlrecht, das es ja (noch) nicht gibt, und darüber, wer wir sind und wenn ja wie viele.

Unsere Besetzung endet damit, dass Steffen Bremer vom Begleitbüro SOUP uns am Abbautag einfach in die Tasche steckt.

 

Fotos: Schattenwald

Glücklich und schön