Virtual Immersion

Photo: German Zoeschinger

Wie angekündigt haben wir uns an der Gruppenausstellung des Projekts  „I am we_interactive image“ des Medienkünstlers Wolf Nkole Helzle in der  a+gallery in Stuttgart beteiligt. Die Ausstellung läuft seit dem 15. Juli und ist bis zum 15. August an den Freitagen von 10 bis 18 Uhr geöffnet.

Am Freitag den 17. August ist von 10 bis 18 Uhr die Finissage der Ausstellung.

Like announced  we participate in a group exhibition of the project „I am we_interactive image“ of media artist Wolf Nkole Helzle at  a+gallery in Stuttgart. The exhibition runs since July 15th until August 15th and will be opened each friday from 10am to 6pm.

Friday, August 17th there will be a closing event of the exhibition from 10am to 6pm.

Photo: Karin Rehm

Beteiligt sind wir mit drei Arbeiten: „Virtual Immersion“, eine digital-analoge Collage aus Fotografie und einem auf der I am we-Plattform generierten Bild zeigt uns auf der Schwelle zwischen materieller und virtueller Realität.

We participate with three works: „Virtual Immersion“ is a digital-analogue collage of photography and a picture genereated by the i am we plattform. We are depicted on the threshold between material and virtual reality.

„If I wear you“ ist eine Arbeit, die auf einem digitalem Bilderrahmen animiert wurde. Auf der I am we-Plattform generierte Profilbilder am Projekt Beteiligter dienen als animiertes Muster des Kleides von Karin Rehms virtuellen Alter Ego Thea Schattenwald.

„If I wear you“ is an animated picture on a digital frame. I am we generated profile-pictures of the platform’s users are the basis for an animated dessin for a dress worn by Karin Rehm virtual Alter Ego Thea Schattenwald.

Photo: Karin Rehm

Als dritte Arbeit haben wir zwei Papierpuppen unserer virtuellen Alter Egos Dora Asemwald und Thea Schattenwald aufgestellt. Ihre Kleider zeigen ein I am we generiertes Bild, welches den Zustand des Rauschens zwischen zwei Profilbildern darstellt.

The third work is two paper dolls of the virtual alter egos Dora Asemwald and Thea Schattenwald. Their dresses display an I am we generates picture which shows the state of noise between two profile pictures.

Photo: German Zoeschinger

Photos: Karin Rehm (kr) / German Zoeschinger (gz)

 

Zwischen wir und ich

Dieses Frühjahr sind wir in Facebook auf ein Social Media Kunstprojekt gestoßen, das uns gefallen hat. Beim Gang zum Käsehändler unseres Vertrauens kamen wir an der physischen Manifestation des Projektes vorbei: In der a+gallery in Süden Stuttgarts trafen wir auf den Medienkünstler Wolf Nkole Helzle, der dort das schon online entdeckte Projekt „I am we_interactive image“ vorstellte. Anfang April hat er eine Internetplattform gegründet, die es jedem ermöglicht, Bilder in ein virtuelles Tagebuch zu stellen, für jeden Tag des Kalenders eins. Die Bilder werden wiederum als Mosaiksteine genutzt, aus denen die Profilbilder von Mitgliedern nachgebaut werden. So entstehen Porträts aus der Summe aller: Ich bin wir.

Man kann die Bilder anderer kommentieren, ein reger Austausch internationaler Künstler ist entstanden. Wir sind der Gruppe beigetreten und haben Bilder zum Projekt beigetragen: Martins Zeichnungen von Dora sowie Schattenbilder von Karin finden sich nun in den Mosaiken wieder.

Damit dieses partizipative Projekt vom virtuellen Raum zurück in die physische Welt wirken kann, findet ab 13. Juli 2012 das erste internationale Nutzertreffen mit Ausstellung statt. Am Freitag den 13. und am darauf folgenden Samstag treffen sich die Mitglieder in der a+gallery. Es werden Vorträge und anschließende Diskussionen zum Thema „Wie viel Platz braucht das Virtuelle?“ gehalten.

Am Sonntag, dem 15. Juli wird um 11 Uhr eine Ausstellung mit Arbeiten der Teilnehmer eröffnet. Schattenwald wird mit drei verschiedenen Arbeiten an der Ausstellung beteiligt sein, die sich über die virtuell-materielle Grenze hinwegsetzen und das Thema der I am we-Plattform aufgreifen. Wir freuen uns auf Euren Besuch!

Between us and myself

This spring we stumbled upon a social media art project on Facebook that we liked. On our way to our favorite cheese monger we came across the physical manifestation of the project: At the a+gallery in Stuttgart we met Wolf Nkole Helzle who presented his media art project „I am we_interactive image“. In April he started a new internet platform that allows everyone to post pictures in a virtual diary, one for each day of the calender. These pictures are used as pieces of a mosaic that recreates the profile pictures of the platform’s users. Portraits are made up of the sum of all: I am we.

You can comment each others pictures. Artists from all over the world started to communicate. We joined the group and shared our own pictures: Martin’s drawings of Dora and Karin’s pictures of her shadow are part of the mosaics now. In order for this participative project to reach back from virtual to material space, the first user meeting will be held starting july 13, 2012. On friday the 13th and the following saturday the members of the platform meet at the a+gallery. There will be presentations and discussions about the topic „How much space does virtuality need?“

On sunday the 15th an exhibition of works by the visiting members will be opened at 11am. Schattenwald will participate with three works that cross the virtual/material border and takes up the idea of I am we_interactive image. We look forward to your visit!

www.helzle.com
www.interactive-image.org

a+gallery
Olgastrasse 138
70180 Stuttgart
+49 711 5044 9648

aplus-gallery.com
www.facebook.com/a.plus.creativespace

Die Ausstellung läuft vom 15. Juli bis zum 15. August 2012

The exhibition will be running from july 15th to august 15th

Die Pavillonistische Bewegung

Vor einem Jahr wurde im Rahmen des Widerstands gegen das Bauprojekt Stuttgart 21 die Initiative „Unser Pavillon“ gegründet. In mitten des umstrittenen Schlossgartens, jenem Ort, an dem die Baugrube für den geplanten Tiefbahnhof ausgehoben werden soll, wurde ein temporärer, containerartiger Holzbau aufgestellt. Als Informations- und Ausstellungsplattform der K21-Bewegung war der von der Künstlergruppe Begleitbüro SOUP initiierte Pavillon nicht nur Anlaufstelle für Aktivisten und Künstler, sondern auch für interessierte Passanten. Mit der Räumung des Schlossgartens Anfang des Jahres musste auch das Gebäude weichen. Die Idee des Pavillons lebt weiter.

Zum Jahrestag hatten wir ein sehr besonderes Treffen an unserem Pavillon. Viele Menschen versammelten sich, trugen spontan etwas vor, sangen, tauschten sich aus. Bemerkenswert: Da, wo einst der Pavillon in seiner physischen Manifestation stand, waren nur noch Klebebandstreifen, die an seinen Grundriss erinnerten. Beraubt ihrer Inkarnation bleibt die nackte Idee, ohne die Bürde einer Bude, die gepflegt und gehegt sein will, die nur bedingt mobil auf die Bedürfnisse ihrer Pavillonisten reagieren kann. Was ist „Unser Pavillon“? Ist es ein Haufen zusammengeschraubter Bretter, die im Ausstellungsraum des Württembergischen Kunstvereins ihr Exil fristen? Sind es die weißen Maleranzüge, in denen einige Pavillonisten auf die Montagsdemo gehen? Ist es die Facebookseite, die befüllt und moderiert wird, ist es das offene Mikrofon, in das beharrlich geschwiegen wird? Oder sind es die Linien im Schlossgarten, die das gedankliche Loch umranden, das einst der Pavillon füllte? Die Antwort ist einfach: Unser Pavillon, das sind die Pavillonisten! Menschen, die die Idee des Pavillons nicht nur in ihren Köpfen und Herzen tragen, sondern sie auch leben. Sei es auf Facebook oder im Maleranzug. Es sind Menschen, die sich für eine neue Bürgergesellschaft interessieren und engagieren. Menschen in all ihrer Vielfalt, deren gemeinsamer Nenner eine Haltung ist.

Ursprünglich war es die K21-Bewegung für die der Pavillon stand. Doch schnell haben wir bemerkt, dass Stuttgart 21 nur ein Symptom einer grundlegenden Schieflage unseres Systems ist. Das Großbauprojekt und die Methoden seiner Zustandebringung sind ein Atavismus aus der Zeit des Wirtschaftswunders, als es galt, eine zerbombte Stadt wieder aufzubauen. Heute muss man zuerst zerstören, wenn man bauen will. Jene, die durch das alte System an die Macht gekommen sind, nutzen eben diese Macht, um ihr System zu verteidigen – Systemkritiker sind da unerwünscht. Und genau das sind wir Pavillonisten. Wir beleuchten systemimmanente Schwachstellen und hinterfragen, sind Sand im längst obsoleten Getriebe unserer Stadt und überlegen uns Alternativen, wie unsere Bürgergesellschaft zeitgemäß funktionieren kann. Welche Lösung die richtige ist, weiß keiner. Es gibt mindestens so viele Ansätze wie es Köpfe gibt, diese zu erdenken. Darum sind wir Pavillonisten eine so bunte Truppe. „We are the multitude“. Wir werden nie Konsens darüber finden, welche Ziele wir mit welcher Methode erreichen werden, doch eins eint uns: der Wille, es besser zu machen. Ob Open Planning, Liquid Democracy oder Bedingungsloses Grundeinkommen, die Diskussion über die Wege zu einer uns gerechten Gesellschaft bringt uns voran.

Doch brauchen wir Konsens? Wollen wir uns über Mittel und Wege unseres Wirkens verstreiten, Frakionen bilden und Wortführer ernennen? Brauchen wir Oberpavillonisten, Hilfspavillonisten, Entscheidungsträger, Sprecher, Kassenwart und Fußvolk, das die Arbeit macht? Wollen wir uns so organisieren, wie jene, die wir kritisieren? Es ist an der Zeit, neu zu denken! Leben wir doch mit den Widersprüchen und definieren uns lieber über unseren Willen, etwas zu bewegen. Wir brauchen keine Hierarchien, wir sind ein Netzwerk. So wie Anonymous, jene Hacker, die für die Freiheit im Netz kämpfen. Da sie keinen Kopf haben, kann man diesen nicht abschneiden, oder bei einer Schlichtung über den Tisch ziehen. Die Machthabenden sind Strukturen gewohnt, die ihren gleichen – da können sie den längeren Hebel ansetzen. Einen physischen Pavillon können sie aus dem Stadtbild verbannen, einen Chefpavillonisten können sie einlullen. Ein Netzwerk aus engagierten Bürgern, die heute im weißen Anzug und morgen mit einer Rolle Klebeband  einfach aufkreuzen und Pavillon machen sind nicht greifbar aber omnipräsent.

Lasst uns den Gedanken des Pavillons von überkommenen Strukturen befreien! Wir brauchen keine Bude, wir brauchen keine Hierarchien. Wir brauchen Menschen, die bereit sind zu sagen und zu zeigen: Ich bin Pavillonist! Ich bin für ein besseres System, das nicht nur einer kleinen Elite dient. Lasst uns den physischen Pavillon auf das reduzieren, was ihn am stärksten macht: ein Symbol. Ein Symbol für unsere Haltung, unseren Mut und Willen zur Veränderung. Ein Symbol, dass durch die Geschichte des Pavillons im Schlossgarten aufgeladen wurde und so in unserem Bewusstsein verwurzelt wurde. Jetzt ist es an der Zeit, die Energie und Idee des Pavillons in etwas Neues zu transformieren, was über die Grenzen eines einzelnen Raumes hinausgeht. Wir transferieren den Raum zu einer Bewegung.

Doch wie schaffen wir es, die Idee des Pavillons ohne zentralistische Organisation und physischen Ort am Leben zu halten und zu verbreiten?

Die Pavillonistische Bewegung

Pavillonisten

Ein Pavillonist oder Pavillonistin ist jeder oder jede, der oder die anderen einen Raum bietet, Pavillonistische Ideen auszutauschen und zu verbreiten.

Pavillonistische Ideen

Pavillonistische Ideen sind Einfälle, Überlegungen, Entwürfe und Konzepte, die einem besseren Zusammenleben in unserer Gesellschaft dienen und andere befähigen, selbst Pavillonisten zu sein. Dadurch kann die pavillonistische Idee viral verbreitet werden.
Diese Ideen sind nicht an sprachliche oder rationale Formulierungen gebunden. Sie dürfen bildhaft, visionär und experimentell sein. Sie bedienen sich aller Möglichkeiten kultureller und künstlerischer Ausdruckformen wie zum Beispiel Gedichte, Plakate, Texte, Ausstellungen, Performances, Gespräche, Vorträge oder Lieder. Pavillonisten bemühen sich eigenverantwortlich um ein hohes Maß an ästhetischer Qualität und inhaltlicher Stimmigkeit bei der Formulierung ihrer Ideen.

(Zur viralen Verbreitung von Gedanken: http://de.wikipedia.org/wiki/Mem).

Pavillonistische Grundsätze

  • Gleichheit, keine Diskriminierung. Jeder kann Pavillonist sein, muss sich nicht erst anmelden oder die Erlaubnis holen.
  • Offenheit gegenüber allen Menschen und Ideen.
  • Kritische Haltung gegenüber dem bestehenden System, Bereitschaft, neue Wege zu denken und zu gehen. Offenheit gegenüber allen Ansätzen, die nicht gegen die Pavillonistischen Grundsätze verstoßen.
  • Der Pavillonismus ist nicht kommerziell.
  • Der Pavillonismus ist außerparlamentarisch und darf nicht von der Politik instrumentalisiert werden.
  • Vielfalt: Untschiedliche Meinungen innerhalb der Bewegung sind Grundlage für Diskussionen, die auf respektvolle Weise geführt werden.

Pavillonistische Räume

Der Pavillonistische Raum ist ein physischer und/oder virtueller Ort, der offen für alle Menschen ist und das Austauschen und Verbreiten Pavillonistischer Ideen ermöglicht.

Pavillonistisches Handeln

Pavillonistisches Handeln ist das Erzeugen und Betreiben Pavillonistischer Räume und das Verbreiten der Pavillonistischen Idee. Jeder Pavillonist ist für sein eigenes Handeln verantwortlich.

Pavillonistische Zellen

Eine Pavillonistische Zelle ist eine Gruppierung von Pavillonisten, die gemeinsam Pavillonistische Räume erzeugen und betreiben. Alle Pavillonistischen Zellen sind gleichwürdig.

Die Pavillonistische Bewegung

Die Pavillonistische Bewegung ist ein Netzwerk/Schwarm unabhängiger Zellen, die das gleiche Ziel verfolgen, aber in keiner festen Organisationsform stehen. Sie ist dadurch nicht anzugreifen und egalitär.

Es gibt keine offiziellen Sprecher der Bewegung. Niemand darf für die gesamte Bewegung alleine sprechen, nur für seine eigene Zelle. Wenn jemand über das Aufstellen eines physischen Pavillons mit der Stadt oder dem Land verhandelt, dann tut er das nur im Namen der Zelle, die den Pavillon dann dort aufstellt und betreibt und die Verantwortung dafür übernimmt. Keine Pavillonistische Handlung bedarf der Absprache mit anderen Pavillonisten oder einer Genehmigung. Es gibt keine Instanz, die über Pavillonistische Handlungen entscheidet.

Auf den ersten Blick raubt das dem Pavillon an Schlagkraft, doch wenn man die Sache zu Ende denkt, verleiht es ihm eine viel größere Kraft und verhindert, dass Einzelne versuchen, Macht über die Bewegung auszuüben.

Um Pavillonistische Aktivitäten zu koordinieren soll es weiterhin regelmäßige Treffen geben, bei denen sich Zellen austauschen und es möglich ist, sich für größere Projekte zusammenzuschließen.

Das Pavillonistische Zeichen

Um die Pavillonistische Bewegung sichtbar zu machen, setzen wir ein Zeichen, das Pavillonistisches Handeln sichtbar macht und Spuren unseres Schaffens hinterlässt. Es dient als Erkennungsmerkmal der Bewegung und bildet einen Rahmen um alles Pavillonistische Handeln, ist der „rote Faden“ durch die Vielfalt unterschiedlicher Beiträge. Das Pavillonistische Zeichen kennzeichnet Pavillonistische Räume und Kommunikation. Es symbolisiert die Pavillonistische Bewegung. Seine Anwendung im öffentlichen Raum hilft der Verbreitung und Sichtbarkeit des Pavillonismus. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass kein Vandalismus betrieben wird, da dieser die Akzeptanz der Bevölkerung gegenüber der Bewegung senkt. Nichtpermanente Zeichen aus Kreide oder ablösbarem Klebeband sind zwar vergänglich, zeigen jedoch die Dynamik unserer Bewegung. Keine Idee darf in Stein gemeiselt werden, sie müssen offen für Veränderungen sein.

Das Pavillon-Zeichen leitet sich auch dem Grundriss des Ur-Pavillons aus dem Schlossgarten ab. Ein Rechteck mit je einer Öffnung an den schmalen Seiten und je vier Lamellen an den langen Seiten.

Die Proportionen des Originalpavillons werden abstrahiert. Das Logo wird wie ein Schriftzeichen verwendet, welches in einer Vielfalt an Schrifttypen dargestellt werden kann. Die Grundform ist eindeutig, die Ausgestaltung ist variabel. Dies steht für die Vielfalt der Bewegung, die sich jedoch auf gemeinsame Grundwerte beruft.

Neben der architektonischen Symbolsprache gibt es noch weitere Interpretationen:

Chips (Prozessoren):

Das Zeichen erinnert an Chips wie zum Beispiel Prozessoren. Chips nehmen Daten auf, verarbeiten sie und geben sie weiter. Sie steuern, berechnen, kommunizieren und sind der Motor der heutigen Kommunikationsnetzwerke.

Spinnen

Spinnen haben acht Beine, sie sind überall zu finden und spinnen Netze. Pavillonzeichen könnten sich wie ein Schwarm über die gesamte Stadt ausbreiten. Die Pavillonistische Bewegung ist kein Organismus mit spezialisierten Zellen, die nur eine Aufgabe zu erfüllen haben, sondern ein Schwarm gleichwürdiger Zellen, die ihre Funktion den Bedürfnissen anpassen, sich je nach Bedarf zusammenschließen oder wieder trennen.

Wimperntierchen

Die einzelligen Wimperntierchen stehen für die Urzelle, aus der der Pavillonismus entspringt. Sie vermehren sich durch Zellteilung. Genau so sollen sich die Pavillonistischen Zellen vermehren! Mit jeder Zellteilung entstehen neue Impulse, die Bewegung breitet sich aus. Jede Replikation durch Zellteilung bringt Mutation und muss sich der Selektion stellen. Es entsteht ein evolutionärer Prozess.

Mögliche Pavillonistische Räume:

  • Eine Gruppe auf Facebook, in der diskutiert werden kann. Jeder handelt dort unter seinem Namen, niemand tritt als Pavillon auf. Deshalb ist die derzeitige Pavilllonsseite ungeeignet, da sie Administratoren erlaubt, als Pavillon zu sprechen.
    https://www.facebook.com/groups/215697268537359/
    Jedem, der Facebook für ungeeignet hält, steht es offen, eine andere Plattform als Pavillonistischen Raum zu schaffen.
  • Der physische Pavillon oder einzelne Teile dessen können von einer Pavillonistischen Zelle aufgestellt und betrieben werden.
  • Mit Overalls oder Shirts gekennzeichnete Pavillonisten können im Umfeld von Demos und anderen Veranstaltungen Gesprächsrunden initiieren und die Pavillonistische Idee verbreiten.
  • Veranstaltungen, wie Seminare und Workshops.
  • Regelmäßige Formate wie das offene Mikrophon können abgehalten werden.

Idee und Text

Karin Rehm, Martin Zentner

Karin Rehm und Martin Zentner agieren als die Künstlergruppe Schattenwald. Als diese beschäftigen sie sich spielerisch und ernst mit der Grenze zwischen materiellem und virtuellem Raum im Bezug auf unsere Gesellschaft. Schattenwald versteht sich selbst als pavillonistische Zelle.

www.schattenwald.eu

 

Ein Loch für alle

Das größte Loch der Welt – nichts Geringeres will die Initiative Loch 21 in Stuttgart graben. Die Idee zu dieser Antwort auf das umstrittene Milliardenprojekt Stuttgart 21 entstand im Frühling 2010, als ein CDU-Abgeordneter forderte, man möge doch ein Loch am Bahnhof graben, damit alle sehen, dass Stuttgart 21 unumkehrbar sei. Loch 21 fordert zum Partizipieren auf: „Grab mit!“. Eine Gruppe auf Facebook wurde zum Sammelbecken für all jene, die dieser Aufforderung Folge leisteten: In einer gespielten Befragung konfrontierte zum Beispiel der Musiker und Fluegel TV-Moderator Putte fiktive Stuttgarter Bürger mit dem geplantem Loch. Er stellte auch einen Loch 21-Blues ins Netz. Das Fotografenduo Frank und Steff organisierte ein Casting zu „Stuttgarts next Lochmodel“. Sie fotografierten die grabenden Gewinner in Loch 21-Kleidung, die der Grafiker Martin Zentner für die Fans des Projekts entworfen hatte. Der Künstler Kurt Grunow durchlöcherte Asphalt und plante, wie man auf diese Weise größere Löcher in der Stadt ausheben könnte. Andere schickten Fotos oder Geschichten rund um Löcher aus aller Welt. Loch 21 wächst mit jedem, der sich an ihm beteiligt.

Um die Sache voranzutreiben, hat sich die Künstlergruppe Schattenwald des Themas angenommen. Neben der Lochgründerin Dora Asemwald und Martin Zentner gehört auch die Künstlerin und Kunsttherapeutin Karin Rehm zur Gruppe. Mit Loch 21 geht es ihnen darum, das Phänomen auch außerhalb des virtuellen Raums mit anderen zu teilen. Die Ausstellung „Grab mit! Dora und der Widerstand“ war ein erster Schritt dazu. Ihr Ort wurde mit Bedacht gewählt: „Unser Pavillon“ ist ein temporärer Bau im Mittleren Schlossgarten Stuttgarts. An dieser Stelle soll irgendwann die Baugrube für den neuen Tiefbahnhof entstehen. Als Informations- und Ausstellungsplattform der K21-Bewegung ist der von der Künstlergruppe Begleitbüro SOUP initiierte Pavillon nicht nur Anlaufstelle für Aktivisten und Künstler, sondern auch für interessierte Passanten. Damit schien er genau der richtige Ort zu sein, ein partizipatorisches Kunstprojekt zum Thema Stadtentwicklung durchzuführen.

Zentral für das Großprojekt Loch 21 ist der Lochplanungsprozess an sich. Dazu wollten die Künstler wissen, wo mit dem Graben angefangen werden soll. Eine auf Leichtschaumplatte aufgezogene Luftaufnahme des Stuttgarter Kessels wurde ausgehängt. Anbei die Aufforderung eine der durchnummerierten roten Markierfähnchen an jene Orte zu stecken, die nach Ansicht der Befragten durch das Graben eines Loches eine positive Entwicklung erfahren dürften. Anfangs traute sich noch keiner eine erste Fahne zu platzieren. Die Besucher fingen an auszuhandeln, wo und wie man wohl anfangen könnte. Eine Diskussion über die Stadt entbrannte und die ersten Fahnen wurden gesteckt: Das Rathaus und die Villa Reitzenstein waren erwartungsgemäß unter den ersten Zielen, die von „Wut-Lochplanern“ gewählt wurden. Neuer Sinn sollte einem Sportplatz verliehen werden, indem er ein großes Loch in seiner Mitte bekäme. Ein weiteres Loch könnte im Flussbett des Neckars gegraben werden, es würde dann von alleine vollaufen. Subversiv durchzuführende Löcher in Kellern von Mietshäusern und andere auf eigenem Grund und Boden wurden geplant. Ein Loch an Stelle der LBBW böte Platz für eine „Bad Bank“ und wäre ein Markt für Leerverkäufe. Eine tatsächliche Baugrube im Gerberviertel sollte einfach nicht wieder zugebaut werden, wünschte sich eine der Planerinnen, die keine Lust auf Shoppingmalls und leerstehende Neubauten hatte. „Löcher muss man aushalten können“, so kommentierte sie ins beiliegende Lochbuch.

Um Löcher richtig zu verstehen, muss man sie begreifen. Ein Lochworkshop am Modellgrabfeld sollte die Teilnehmer in Berührung mit der Materie bringen. Sie wurden dazu aufgefordert, in einer Holzkiste mit glattgestrichenem Ton ein Loch zu graben. Dabei sollten ihre insgeheimen Wünsche, Bedürfnisse und Impulse in die Lochplanung mit einfließen können. Die Besucher begegneten dem Aufruf, die glatte Oberfläche der weichen Tonerde zu verletzen mit gemischten Gefühlen. Während einige lustvoll in die Erde griffen, näherten sich andere – wenn überhaupt – nur zögerlich. Manche wollten lieber bauen als graben. Doch sie mussten feststellen, dass man nur schöpfen kann, wenn man an einer anderer Stelle etwas wegnimmt. Während bei der Planung die Stimmung noch unsicher und zum Teil ausgelassen war, wurden die Gespräche beim Modellgraben konzentrierter und gingen tiefer. Wer konkret zu handeln beginnt, wird sich des Aspekts der Arbeit dabei am eigenen Leib bewusst. Als Geste der Anerkennung für die erbrachte Leistung erhielt jeder eine kleine Trophäe, die ihn als partizipierenden Lochplaner ausweist. Der Ton wurde nach jedem Grabungsakt wieder glatt gestrichen, sodass der Nächste sein Loch verwirklichen konnte.

Seit dem Lochworkshop ziert eine in Stirnhöhe mehrfach abgehängte Affirmation den Ausstellungsraum. Sie zitiert die Fußballtrainerlegende Sepp Herberger: „Wer viel Spaß haben will im Spiel, muss die Sache ernst nehmen“.

Karin Rehm, Martin Zentner

www.loch21.de
www.galerie-dora-asemwald.de
www.unser-pavillon.de

Dieser Artikel erschien in der Publikation „Oberwelt Aktuell“, 33. Jahrgang, Ausgabe 4 vom 20. Dezember 2011